Persönlichkeiten aus MSP: Verena Körner-Wycisk & Peter Feldbauer und das Retschter Lädchen

Nachdem der Edeka 2006 nach 125 Jahren schloss und 2015 auch das Aus für die letzte Metzgerei folgte, bestand die Lebensmittelversorgung in Retzstadt nur noch aus einem Bäcker und einem Getränkemarkt. So kam 2017 die Idee eines Dorfladens auf und es bildete sich ein kleiner Arbeitskreis mit ca. 5 Personen.

Heute ist der Dorfladen das Herzstück von Retzstadt. Mit über 15 Mitarbeitenden, über 2.200 Artikeln, einer Bedientheke und frischen Backwaren deckt das Lädchen den täglichen Bedarf – regional, nah und zuverlässig. Besonders hervorzuheben sind die mehr als 230 Bürgerinnen und Bürger aus Retzstadt und Umgebung, die durch stille Beteiligung bereits mehr als 108.000 Euro Kapital zur Verfügung gestellt haben – ein starkes Zeichen für gelebtes Miteinander.

Wir waren vor Ort und haben mit den Geschäftsführern Verena Körner-Wycisk & Peter Feldbauer gesprochen. Alles über Herausforderungen, Wünsche und Entwicklungen erfahrt ihr hier:

Worauf sind Sie besonders stolz?

Wir sind besonders stolz darauf, dass wir im Retschter Lädchen mittlerweile rund 20 Arbeitsplätze geschaffen haben – und damit ein echtes Stück Wirtschaftskraft im Dorf sichern konnten. Über die Hälfte unserer Stellen sind sozialversicherungspflichtig, und diese werden über dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlt. Das war uns von Anfang an wichtig: faire Arbeit statt unbezahltes Ehrenamt (im operativen Bereich).

Trotz dieser bewussten Entscheidung – die natürlich auch eine finanzielle Herausforderung darstellt – schreiben wir seit dem ersten vollen Geschäftsjahr positive Betriebsergebnisse. Das zeigt, dass ein Dorfladen nicht nur als Herzensprojekt funktionieren kann, sondern auch als wirtschaftlich stabiles Unternehmen.

Der Aufwand für Löhne und Gehälter – ein mittlerer sechsstelliger Betrag – ist in Wahrheit der eigentliche Gewinn des Dorfladens. Dieses Geld fließt an Menschen, die hier in Retzstadt leben, arbeiten und es wieder hier ausgeben. Was in der Buchhaltung als Aufwand steht, ist tatsächlich Wertschöpfung für unseren Ort. Genau das ist der Sinn unseres Dorfladens: dass das Geld in der Region im Umlauf bleibt und hier Bewegung schafft.


Was sind Ihre Zukunftswünsche?

Im Frühjahr 2026 eröffnen wir auf einer separaten Fläche einen eigenen Getränkemarkt. Anlass war, dass der bisherige private Getränkehändler in Retzstadt aufgehört hat. Mit dem neuen Markt möchten wir die entstandene Lücke schließen und die Nahversorgung im Ort wieder vollständig herstellen.

Unser Wunsch ist, dass der Getränkemarkt genauso gut angenommen wird wie unser Retschter Lädchen – mit der gleichen Mischung aus Regionalität, persönlicher Ansprache und ehrlichem Service.

Darüber hinaus wünschen wir uns, dass wir mit unserem Dorfladenkonzept noch mehr Menschen überzeugen können – auch über die Grenzen von Retzstadt hinaus. Wir möchten zeigen, dass wirtschaftlich stabile, gemeinschaftlich getragene Nahversorgung auf dem Land möglich ist, wenn man sie mit Herz, Professionalität, klarer Strategie und Vision betreibt.

Und wir wünschen uns, dass das Persönliche auch in Zukunft seinen Wert behält – trotz aller Digitalisierung und 24/7-Konzepte. Ein ehrliches Lächeln, ein kurzes Gespräch, ein bekanntes Gesicht an der Theke – das ist durch keine Technik zu ersetzen. Für uns ist Einkaufen nicht nur der Austausch von Waren gegen Geld, sondern Begegnung, Vertrauen und ein Stück Zuhause.

Ein weiteres Thema, das uns im kommenden Jahr beschäftigen wird: Die Straße zwischen Retzbach und Retzstadt wird vollständig gesperrt. Wir wünschen uns, dass es uns mit guten Ideen und Aktionen gelingt, den Wegfall des Durchgangsverkehrs zu kompensieren und unsere Stammkundschaft weiterhin stark an uns zu binden.


Wie hat sich die Zusammenarbeit mit regionalen Händlern und Produzenten entwickelt?

Die Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren hervorragend entwickelt – sie ist heute enger, vertrauensvoller und vielfältiger denn je. Immer mehr regionale Betriebe möchten Teil unseres Dorfladen-Netzwerks werden.

Über 50 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir inzwischen mit Produkten, deren gesamte Wertschöpfung im Umkreis von zehn Kilometern liegt. Das bedeutet: kurze Wege, echte Partnerschaften und ein starker Rückhalt in der Region. Für viele Kundinnen und Kunden ist genau das ein Grund, bewusst bei uns einzukaufen.

Gleichzeitig arbeiten wir auch mit unserem regionalen Großhändler BELA Eibelstadt zusammen, über den wir die klassische „Supermarktware“ beziehen. Denn als Retschter Lädchen verstehen wir uns als Vollversorger – unsere Kundinnen und Kunden sollen bei uns alles für den täglichen Bedarf bekommen. Ein reiner Regionalladen würde wirtschaftlich kaum überleben; erst die Kombination aus regionalen Spezialitäten und ergänzenden Sortimenten macht unser Konzept dauerhaft tragfähig.


Was bedeutet es, ehrenamtlicher Geschäftsführer zu sein?

Ehrenamtliche Geschäftsführer zu sein bedeutet für uns, Verantwortung zu übernehmen, weil wir davon überzeugt sind, dass es wichtig und richtig ist. Wir schauen dabei nicht auf jede Minute, sondern auf das Ergebnis für das Ganze: Arbeitsplätze sichern, das Dorf lebendig halten, Begegnungen schaffen.

Manchmal ist das durchaus fordernd – wir stehen mitten im Geschehen, treffen Entscheidungen und tragen Verantwortung wie jeder andere Geschäftsführer auch. Aber der entscheidende Unterschied ist: Wir tun es aus innerer Überzeugung, für den guten Zweck und für die Menschen vor Ort. Dieses Bewusstsein, dass wir etwas Sinnvolles bewegen, ist der schönste Lohn für die investierte Zeit.

Mehr Infos zum Retschter Lädchen erfahrt ihr hier.